Als Anhang zum Jahre 1922 muss ich nachtragen, dass von Seite des Pfarramtes auch in diesem Jahre wiederum die übliche Weinsammlung von Haus zu Haus vorgenommen wurde und zwar hat sich diesmal der Herr Prem ganz allein dieser wenig ergötzlichen Aufgabe unterzogen – das Ergebnis waren gut fünf Eimer Wein. Die Preise der Kellerweine waren für den Heurigen sehr niedrige, während im Gasthaus gewöhnlicher Tischwein mit 3000 K pro Viertelliter bezahlt werden musste. Dafür stiegen alle übrigen Produkte und Artikel im Preise ungeheuer in die Höhe. Der Liter Milch 4000 K, ein Ei 2000 K, das Getreide 3000 bis 4000 K pro Kilo. Schweinefleisch gegen 40000 K für das Kilo. Die Schmalz- und Butterpreise dementsprechend förmlich unerschwinglich. Ein Anzug kostet Millionen von Kronen. Ein Paar gewöhnliche Schuhe mindestens 200000 K. Geradezu fabelhaft hoch sind aber die Viehpreise: eine gute Milchkuh kauft der Jud für 10 bis 12 Millionen K. Bei dieser Konjunktur ist es verständlich, wenn das ganze bessere Vieh in den Händen der Juden ist.
Außerdem war das letzte und mehr noch das heurige Jahr in Bezug auf den Stall ein wahres Unglücksjahr – die Kühe bekamen der Reihe nach die Knochenweiche, konnten nicht mehr belegt werden und brachen mit der Zeit überhaupt zusammen – eine Notschlachtung um die andere. Der Viehstand ist überall sehr bedenklich gelichtet, denn angesichts der Millionenpreise einerseits und dank den enormen Steuervorschreibungen andererseits müssen sich auch größere Besitzer dermalen mehr mit den Ziegen behelfen. Schuld tragend an dieser Misere ist nur das Futter, das infolge Trockenheit nicht nur recht spärlich gediehen, sondern auch ohne Nährgehalt eingebracht worden ist.
Durch diese ungünstigen Umstände bezgl. Wirtschaft ist unter einem auch bedingt eine gewisse Geldknappheit, die sich mit dem heurigen Jahre tatsächlich fast schon allgemein eingestellt hat. Trotzdem wollen sich Mode und Genusssucht immer noch keinen Abbruch gefallen lassen. Die Zahl der Unterhaltungsabende, der Kränzchen und Bälle ist noch ungemindert dieselbe und im lb. Fasching wars wieder lustig bis in den nächsten Vormittag hinein. Zur Ehrenrettung unserer Gemeinde kann ich allerdings gottlob berichten, dass am Faschingsdienstag schon punkt 12 Uhr nachts die Komödie ihr Ende gefunden hat und zwar mit Rücksicht auf das mit dem Aschermittwoch beginnende Triduum. Herr P. S.J. Pointner, drzt. Minister bei den Jesuiten am Hof hat sich dieser Aufgabe vom Mittwoch bis Samstag unterzogen – mit einer Predigt vormittags und einer Standeslehre nachmittags täglich, während die Einleitung und den Schluss der Ortspfarrer hielt. Die Teilnahme seitens der Pfarrangehörigen war eine zahlreiche und der Sakramentsempfang schier vollzählig, nachdem in diesem Jahre die Osterbeichtzeit schon mit dem Aschermittwoch ihren Anfang genommen hatte. Die HH. Pfarrers von Kl. Harras, Velm-Götzendorf sowie von Spannberg hatten als Beichtväter auch eifrigst Aushilfe geleistet.
Die Frühjahrswitterung war für sämtliche Kulturen besonders günstig, wenn man sich auch vielleicht etwas mehr Regen gewünscht haben möchte. Wohl hätte dadurch das Getreide im allgemeinen mehr Trieb bekommen – dafür zeigen sich aber die Weingärten schöner denn je – Traube an Traube, besonders in den jüngeren Kulturen. Leider konnten sie nicht reifen, denn in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai – Pfingstsonntag – hat ein starker Frost beträchtlichen Schaden angerichtet. Die Reben sind schwarz. Auch der Mais und die Hülsenfrüchte haben darunter gelitten, während die Kartoffel sich noch erholen dürften.
Von den 35 Erstkommunikanten des Jahres 1923 wurden 15 gefirmt. Am Sonntag vor Pfingsten habe ich in der Kirche verlautbart, dass ich den Kindern das Firmzeugnis nur dann ausfolgen werden, wenn auch der Pate und die Patin die hl. Sakramente empfangen haben. Selbstverständlich gab es ob dieser Neuerung einen sog. Kravall – dessen ungeachtet aber gingen sämtliche Paten und Patinnen zu den hl. Sakramenten, nur der liebe Kraft Eduard hat eine rühmliche Ausnahme gemacht.
Am Dreifaltigkeitssonntag gibt es wieder einmal eine Theateraufführung von Seite des Lehrkörpers mit der Schuljugend im Verein mit den Chormusikern – die Vorbereitung hiezu hat schon mit Februar angefangen; unsere Schulkinder schwelgen förmlich in Musik und Poesie – Loidesthal hat bald das Aussehen vom Weaner Proader. Dabei findet man talentierte Kinder, die mit 14 Jahren kaum fließend lesen können, von einer Rechtschreibung gar nicht zu reden.
Lehrer Girsch ist zum Schulleiter von Blumenthal ernannt worden – trotz der energischen Einsprache seitens der Gemeinde. Trotz aller Abbaumaßnahmen träumt die hiesige Schulleitung doch noch von einer Parallelklasse – auch für 1923-1924 wieder.
Vidi 5.6.1923 P. Augustin Höbarth Dechant.
Die kanonische Visitation durch den Herrn Dechant P. August Höbarth fand in diesem Jahre am 5. Juni um 7 Uhr vormittags statt. Auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin unterblieb das Läuten. Die Kinder versammelten sich unter der Führung des Herrn L. Magrutsch gleich in der Kirche, wo sich auch der Ortsschulrat und gottlob auch ziemlich viele Eltern versammelt hatten. Von der Gemeindevertretung war niemand sichtbar, weil ich es unterlassen habe, am Sonntag zuvor die übliche Einladung herabzuleiern, obwohl ich den Bürgermeister ohnehin persönlich ersucht hatte, die Beteiligung an der Prüfung im Ausschusse anzuregen. Herr Frohner ist verduftet und in aller Gottesfrüh geschäftlich nach Pyrawarth abgedampft. Herr Dechant hat Worte bester Anerkennung gesprochen in Anbetracht des ruhigen Verhaltens der Kinder und auch für die zahlreiche Beteiligung des Volkes.
Für den außerkirchlichen Teil am Fronleichnamstage habe ich den Chorkräften das Tanzen untersagt gelegentlich ihres Zusammenseins zum Vespertrunk bei Steyskal. Es hat das Verbot gewirkt, zumal ich von ihrem Verhalten im Gasthaus für alle Zukunft die Fronleichnamsprozession abhängig gemacht habe. Es hat sich kein einziger Bursche blicken lassen – nur vier jüngere Mädls haben das Bier in den Kopf bekommen und in dieser Stimmung haben sie untereinander den Tschardas heruntergewalzt. Echte Stiefelberger.
In der Nacht vom 19. auf den 20. Mai – Pfingstsamstag auf Sonntag – gab es einen starken Reif, der der ganzen Kultur – streckenweise sogar dem Getreide einen empfindlichen Schaden zufügte. Am allermeisten hat darunter gelitten der Wein. Das allgemeine Urteil an diesem Tage hat gelautet: Heuer brachen wir nicht mehr lesen und die Zeit der Weinernte hat diese Befürchtung leider vollauf bestätigt – wenig Wein, aber vieles und schönes Getreide. Die ältesten Leute können sich aus dem ganzen Leben auf keinen so langen und schweren Hafer erinnern, wie er im Jahre 1923 geraten ist.
Der heurige Sommer war ungemein heiß, aber relativ sehr gewitterarm. Gottlob hat uns das Hagelwetter ganz verschont. Die Schulferien haben heuer für sämtliche Schulen am 28. Juni ihren Anfang genommen. Ungeteilte Ferien bis zum 3. September. Zu Beginn des neuen wurde auch so wie am Schluss des alten Schuljahres ein Dank- resp. Bittgottesdienst für die Kinder abgehalten über Verordnung seitens des Bezirksschulrates. Über die die Art der Veranstaltung dieser Schulmessen hat sich bei der Ortskonferenz eine Debatte entsponnen, wobei Oberlehrer Schweinberger und der Pfarrer derartig heftig aufeinander geraten sind, als würden sich besäufte Sauschneider gegenseitig insultieren. Auf meiner Seite hat sich bei dieser Gelegenheit der schon länger verhaltene Zorn einen Ausweg gesucht, Unwillen von wegen Ungehörigkeiten, die bei der im April 1923 abgehaltenen Kinderakademie und Theatervorstellung vorgefallen sind – damals hat nämlich der betrunkene Bauer Johann das Fernbleiben des Bürgermeisters und Pfarrers in der rohesten Manier bemängelt und die löbliche Lehrerschaft hat dazu Ja und Amen gesagt.
Einige Wochen zuvor gab es auch einen sog. Elternabend mit durchschnittlich ziemlich normalen Verlauf.
Am 6. August machte ich mich auf den Weg nach Mariazell – wobei ich 17 volle Stunden auf dem Wege war. Durch das Schwarzach (Höllen)tal und durch den Graben in das Preinertal, über das 1100 m hohe Gschaidl in den Lahnsattel zur Terz. Der nähere Weg führt über Singerin-Nasswald-Oberhof nach Prein. Am 7. August hatte ich in Kaiserbrunn in einer kl. Kapelle zelebriert – in Gegenwart einiger eifriger Pensionsgäste. Kaiserbrunn und Hirschwald gehören nach Reichenau, die ganze übrige Gegend aber nach Schwarzau, das 4 Stunden weit weg entlegen ist. Ihre nächste Bahnstation ist Payerbach. Retour über St. Pölten. Vom 3. bis 7. September habe wie alljährlich im Priesterhaus in Wien die hl. Exerzitien mitgemacht, an denen sich auch der Bundeskanzler beteiligt hat.
Im September vollzog sich der Priesterwechsel in den Seelsorgestationen der Barnabiten – Mistelbach, Maustrenk, Wien etc. Die Barnabiten wurden säkularisiert und wurden von den Salvatorianern abgelöst. Pfarrer Schneck ist im Burgenland Messeleser. Im Oktober gab es allüberall Nationalratswahlversammlungen. In Loidesthal wurde eine solche von Dr. Erwin Waiss gehalten. Am 21. Oktober wurde gewählt – 83 Christlich-soziale, 68 demokratisch, 10 Großdeutsche und 4 Landbündler. In Loidesthal gab es 422 Wahlberechtigte – 12 Wähler wurden in der Liste aus Versehen gar nicht aufgeschrieben. 368 christlich, 26 demokratisch und 16 großdeutsche.
Auch die roten Zieglerer wollten bei Steyskal eine Versammlung abhalten, aber sie sind über die halbe Rede nicht hinausgekommen.
Am 4. November hätte der Wolfgangikirchtag getroffen – auf meine Initiative hin aber wurde er wegen des Gedächtnisses an Allerseelen auf den 11. November verlegt. Freilich gab es darob viel Widerspruch und Räsonieren und der Bürgermeister musste fleißig seinen Buckel herleihen, aber geschehen ist es.
Am darauffolgenden Nationalfeiertag gab es um 10 Uhr wieder Kirchengang von Seite des Kriegervereines mit obligater Wirtshausgeschichte.
Durch den starken Frost in der Nacht vom Pfingstsamstag auf Sonntag wurden die Weinkulturen arg beschädigt und es war auch die Weinernte 1923 quantitativ sehr schwach, so dass auch die übliche kirchliche Weinsammlung ganz unterbleiben musste. Qualitativ hätte man eine sehr gute Ernte gewärtigen dürfen, wenn nicht eine Woche vor der Ernte wieder kühles Wetter eingefallen wäre. Preis: 5 bis 6000 K die Maische.
Bezüglich der übrigen Artikel ist die Preislage so ziemlich unverändert geblieben – man fängt zu zählen und zu zahlen an mit 100 K. Wie schwer diese Teuerung speziell im heurigen Winter empfunden wurde, davon können alle der ärmeren Schichte Angehörigen ein böses Lied singen – vom 21. Dezember bis 12. März ununterbrochen tiefer Schnee mit außerordentlich empfindlicher Kälte … Holz kostet per Meter 200000 K und Kohle 7 bis 800000 K für Centner.
Im Herbst 1923 ist hier die höchst betrübende Nachricht eingelangt, dass Michaelbeurn schon monatelang keinen Abt mehr hat, nachdem H.P. Josef Müller von Rom aus veranlasst worden ist, zu resignieren. Im September dürfte er das Kloster verlassen haben – fort nach Bayern. Michaelbeurn bekam auf die Initiative seitens des HH. Erzbischofes von Salzburg hin in der Person des H.P. Leopold Grünwald einen p.t. Prior, während der Hochw. Herr Abt-Präses Dr. Klotz Administrator unseres Klosters sich nennt. Die böse Veranlassung zur Resignation ist zugleich auch die Veranlassung dazu geworden, dass Michaelbeurn bezgl. Einer Neuwahl sich geraume Zeit gedulden muss, zuwarten, bis Rom wieder J sagen wird. Ende Februar 1924 hat es in Wien – Pfarre Dornbach ein Consilium gegeben zwischen Abt-Präses und den hier exponierten Pfarrern, nicht aber, um dadurch klüger, sondern um womöglich dümmer zu werden.