Pfarrchronik 1924

Um Weihnacht herum hat es wieder wie üblich Burschenvereinstheater, einen Elternabend und als Novität auch Vorführungen mit einem neuen Lichtbilderapparat gegeben. Wie in Loidesthal zu erwarten – gab es bei all diesen Veranstaltungen ein ausverkauftes Haus. Oberlehrer Schweinberger wird mit seinem äußerst concilianten Wesen jeden Tag mehr zum Liebling der christlichsozialen Gemeindesöhne – Seelen finden sich. Mit diesem Dichterwort jedoch möchte ich nicht so sehr den Herrn Oberlehrer apostrophiert haben, als vielmehr unsere Ortsgewaltigen, die noch vor wenigen Wochen mit Händen und Füßen gegen seine Ernennung sehr gewehrt haben, in Vertretungen und Eingaben ihn als Socilehrer bei allen Behörden angekreidet haben, und siehe da, nun ist alles vergessen und alles hält`s mit ihm. Um meiner persönlichen Meinung darüber Ausdruck zu geben, muss ich sagen, unsere Leute sind ausnahmslos in ihrem Urteil viel zu wenig gründlich und desgleichen auch niemals verlässlich. Ganz das gleiche hat sich auch wieder zugetragen bei der Reihung der Competenten um den Ersatz für Lehrer Magrutsch. Gemeinde und Ortsschulrat hat sich bemüht nur um den Lehrer Stadlbacher, mag sein Leumund noch so zweideutig und sein Betragen in der Kirche noch so tadelhaft sein.

Am 17. Februar hat man beim Weingarten Kopp gegen Gr.Inzersdorf einen Ziegelschläger halbtot aufgefunden und dort sterben lassen – Todesursache nach Dr. Rausnitz: Herzschlag und Erfrieren. Am 20. habe ich den armen Hascher mit allen kirchlichen Ehren bestattet. 14 Tage später starb im Hof ein Kind mit einigen Monaten, eine Enkelin des großen Fiale, der seine Tochter bedenkenlos einem ungarischen Protestanten verheiratet hat. Die Frau Fiala hätte mir zugemutet, dass ich das unschuldige Wesen kirchlich einsegnen werden. Um mich aller Plage zu entledigen, habe ich der Partei vom HH. Weihbischof den richtigen Bescheid geben lassen. Dazu bemerke ich – um den Pfarrer zu fangen, hat vermutlich der Kindesvater von Wien aus ein anonymes Telegramm an das Pfarramt gerichtet mit der Erlaubnis, das Kind einsegnen zu dürfen. Trotzdem aber hat sich die gut katholische Partei Fiala mit einem alten Kreuz vom Unterdach begnügen müsse. So haben wir zwei rare Gräber auf den Ortsfriedhof bekommen: den Trila Stipano und die Roza Helen.

Am Aschermittwoch den 5. März hat hierorts das Triduum mit der Osterbeicht begonnen. Definitor P. Quardian Julian Mayer aus Wien hat die Vorträge gehalten – Besuch und Concurs waren so ziemlich zufrieden stellend. Konnte gegen 500 hl. Kommunionen austeilen. Das Betragen der Männer und Mädchen wir nicht auf der Höhe.

Der Jagdausschuss von hier hat sich eine Pachtschillingserhöhung vorschreiben lassen seitens der Gemeinde u. zw. unter der Bedingung, dass mit 14 Millionen K erstens der Orgelsprospekt beschafft werden und zweitens ein Schulgarten angelegt werde zur Vorschulung der Kinder höherer Klassen in Wein- und Obstkultur. Dem Pfarrer wurde weder mündlich noch schriftlich davon Mitteilung gemacht – für ihn ist es ja genug, wenn er gerüchteweiser davon hört. Was ist nun geschehen – man hat einfach die zwei Nummern im Vertragsprotokoll umgesetzt und eiligst um10.000.000 K Material für einen Schulgarten angekauft und dann erst gelegentlich betreffs der Orgel dem Pfarrer eine Andeutung gemacht – der Schneider Lambert will jetzt die Orgelpfeiferl besorgen lassen!!! Ne risum teneatis. Laut Mitteilung von der Firma Kaufmann in Wien 15 Norbert Hammerlinggasse 30 dürften gottlob die restierenden 4 Millionen Pachtschilling noch genügen, um einen einen Zinkprospect zu kaufen.

Vom 28. April bis 3. Mai war ich in Linz zur Einweihung und Eröffnung des großen Immaculata-Domes dortselbst. Alles ist großartig und schön gewesen bis auf die Witterung … Regen vom Anfang bis zum Ende und justament während des langen Festzuges gab es einen Sturmwind mit Gussregen. Zum Dank dafür hat der Obersoci Dr. Jetzinger den hl. Petrus zum Genossen befördert. Der Mariendom fasst circa 20000 Menschen, hat eine Ausdehnung von 120 m Länge, 60 m Breite und eine Turmhöhe von 131 m. Drei Dinge aus dieser Feier haben mir einen unvergesslichen Eindruck gemacht: 1. Händels Oratorium: Israel in Ägypten, 2. die Predigten von HH. Bischof Waitz und Faulhaber und 3. der Chorgesang während des griechisch-katholischen Festgottesdienstes (Müllers Graduale)

Am 29. Mai – Christi Himmelfahrt – beging unsere Feuerwehr nach einem groß angelegten Festprogramm das 40 jährige Gründungsfest. Da gab es Bezirks- und Landeshauptleute, Landes- und Bezirksverbände, große und kleine Dekorationen, Festreden und Gedichte und nicht nur Übungen mit dem Schlauch, sondern auch mit der Gurgel bei Konzert und Kränzchen …Lieb Vaterland magst ruhig sein!

Vidi 21.5.1924 P. Augustin Höbarth Dechant

Wie aus der umstehenden Fertigung des Hochw. Herrn Dechanten ersichtlich ist, gab es in Loidesthal am 21. Mai 1924 die übliche kanonische Visitation. Der Visitator war mit dem Betragen und Wissen der Schulkinder sowie mit der Beteiligung seitens ihrer Eltern recht zufrieden. Herr Lehrer Stradner Friedrich hat die Kinder geführt und in der Kirche beaufsichtigt.

Genannter Lehrer hielt am 6. Juli in Pyrawarth Hochzeit mit einer gew. Voglsang Maria, Müllerstochter wohldort. Ein großes Fest.

Am 17. Juni war für das Kloster Michaelbeurn wieder ein großer und wichtiger Tag – die Abtwahl. Alle Vonvetualen haben gewählt – P. Felix per prokuratorem – bis auf P. Plazidus, der an diesem Tage als Leiche unter uns weilte und nach der Wahl beerdigt wurde. Gewählt wurde der gew. Cooperator von Obersulz P. Petrus Weindl, dermalen Subprior des Stiftes. Seine Confirmation aus Rom ist erst am 2. Juli eingetroffen, sodass er erst am 25. Juli – Schluss der Exerzitien – benediziert werden konnte. Anwesend waren die Äbte von St. Peter, St. Lambach und der Hochwürdigste Erzbischof Dr. Rieder.

Am (5. Juli) 22. Juni gab es hier wieder eine Jubelfeier – der Veteranenverein besteht heuer 25 Jahre. Auch die Veteranen ersuchten um eine feierliche Feldmesse und es ging von oben bis unten festlich zu.

Die Getreideernte ist heuer eine ausgezeichnete – besonders in Korn. Auch die Weinernte dürfte relativ nicht schlecht ausfallen, obwohl der Frost von der Pfingstnacht 1923 an den älteren Kulturen empfindlichen Schaden angerichtet hatte. Die Preise für Kellerwein sind anhaltend sehr niedrige – 4 bis 8000 K pro Liter.

Am 21. Mai hat man den Jakob Wiedermann auf dem Blumenthalerfeld des jungen Kaufmann in dem kleinen Unterstand erhängt aufgefunden. Wiedermann war ein Sonderling mit einem etwas leutscheuen Benehmen und außerdem von Zechgenossen im Keller sehr ungünstig beeinflusst. Habe mich beschränkt auf die stille Aussegnung in eccles.

Am 1. Juni nachmittags wurde der Bundeskanzler Dr. Seipl von einem Sozialisten namens Javorek am Südbahnhof attackiert – von zwei Schüssen wurde der Ahnungslose getroffen; das erste ein Streifschuss und das zweite ein Lungenschuss. Das Echo, das diese scheussliche Tat in der ganzen Kulturwelt gefunden, war ein gewaltiges. Der Patient wurde von den berühmtesten Ärzten der ganzen Wienerstadt behandelt und gottlob auch wieder geheilt. Ende Juli beging er in der Herz Jesu-Kirche seines Klosters feierlich seine Secundiz u.zw.(in Vertretung) im Beisein sämtlicher Vertreter von Staat und Kirche, auch der Vertreter fremder Regierungen. Papst Pius XI. hat mit einem Handschreiben seine Glückwünsche übermittelt. Dr. Seipel ist zwar Parteiführer der Christlichsozialen geblieben, indes das Bundeskanzleramt hat er dem Dr. Ramek übergeben – unmittelbar nach seiner Wiederherstellung. Die Motivierung hiezu lautet verschieden.

Mitte August wurde mit der Dachreparatur am Pfründegebäude begonnen; Johann Iser von hier und Daniel Maschke von Angern haben sich hiebei 13 Millionen Kronen verdient; es wurde frisch umgelattet und mit Eternit neu eingedeckt.

Die Ernte – Getreide, Wein und Herbstfrüchte – war im allgemeinen befriedigend, dank einer günstigen Witterung ohne Frost und Hagel.

Am 24. September habe ich meinen Erholungsurlaub angetreten; davon habe ich 4 Wochen im Bad Schallerbach und 6 Wochen in Gallspach resp. Grieskirchen zugebracht. Die Radiumbestrahlung bei Professor Zeileis Valentin geschah kostenlos und ich hatte nur den Betrag von 1 Schilling pro Tag für die Pension in Rainleiten-Grieskirchen zu bezahlen. Vertreten war ich in dieser Zeit vom Confrater H.P. Wilibald Schäfer, Archivar im Kloster Michlbeurn.

Am 31. Oktober geschah in Loidesthal die Wahl des neuen Bürgermeisters d.h. an diesem Tage wurde der alte Vorstand wieder neu. Trotz heftigen, langfristigen und außerordentlich kostspieligen Wahlkampfes in den Wirtshäusern und Kellern hatte es Frohner Johann eigentlich doch mit keinem Wahlwerber zu tun, der hätte ernst in Frage kommen können. Wirtschaftspartei, Bauernpartei und Gewerbepartei – jede natürlich ausgesprochen christlich – hatten ihre eigenen Listen und erzielten guten Erfolg.

Am Feste des hl. Apostels Johannes habe ich den H. Bürgermeister Frohner Johann das päpstliche Ehrenkreuz pro Ecclesia et Pontifice vor dem gesamten Ausschuss und dem Ortsschulrat feierlich an die Brust geheftet. Die Einleitung war eine kurze Ansprache: Wenn euch heute und in den kommenden Tagen hier oder anderswo jemand fragen sollte und damit müssen wir sicher rechnen, was es den eigentlich am 27. Dezember im Gemeindeamte gegeben hat, so gebet den Neugierigen den Bescheid: Unser Bürgermeister hat das päpstliche Ehrenkreuz bekommen. Seine Freunde und Freundinnen werden es sicherlich gerne gönnen. Dem Neidern gegenüber aber wollet nichts erwähnen von den bek. Verdiensten, die Herr Frohner um Kirche, Schule und Gemeinde sich seit Jahren erworben hat, nichts von den neuen Glocken, nichts vom Gotteshaus und Friedhof, wo die Hauptarbeit ihm zugefallen, nichts vom Kriegerdenkmal etc. etc. denn ich kann euch versichern, nicht diese seine Verdienste und auch nicht der Umstand, dass Frohner ein großer Wohltäter für den Pfarrhof ist und unser Kloster dem Hause Frohner vielen Dank schuldet, nicht das allein hat mich veranlasst zur Eingabe nach Rom, sondern durch diese päpstliche Auszeichnung für den Gemeindevorsteher soll vor allem die außerordentlich erfreuliche Tatsache öffentlich zur Geltung kommen, dass Loidesthal speziell dem Bemühen Frohners ein friedliches, einträchtiges und freundnachbarliches Verhältnis zwischen Gemeinde, Kirche und Schule zu verdanken hat, wodurch ein fortschrittliches und gesegnetes Zusammenarbeiten ermöglicht wurde. Wenn ich in der Pfarrchronik ein bisschen zurückblättere, so erfahre ich das, was ihr alle aus eigener Erfahrung wisset, dass es nämlich in Loidesthal einmal auch andere Zeiten gegeben hat, Zeiten mit einer dunklen, recht traurigen Geschichte, meist einer Geschichte, die man auch gegenwärtig noch in manchen Ortschaften leider antreffen kann. Bei diesem Gedanken kann ich es als Pfarrseelsorger unmöglich unterlassen, euch alle, den Ausschuss mit seinem Bürgermeister und den Ortsschulrat mit Herrn Oberlehrer, dringend zu bitten, in aller Hinkunft den Priester eifrig unterstützen zu wollen in allem, was kulturell geschieht und geschehen muss, bei allem, was das Wohl der Pfarrgemeinde betrifft. In diesem Sinne werdet ihr es auch voll und ganz verstehen, wenn ich sage, der heutige Tag ist auch ein Ehren- und Freudentag für die ganze Gemeinde, der in der Chronik von Loidesthal einen bevorzugten Platz verdient.