Pfarrchronik 1919

Der Jänner war sehr warm, so dass die Feldarbeiten nachgeholt werden konnten, die infolge des schlechten Herbstes unterbleiben mussten. Im Februar trat die Kälte auf, kältester Tag 9 ° Reamur.

In diesem Fasching wurden 9 Paare getraut. Unterhaltungen waren genug, da die Leute Geld genug haben.

Am 16. Jänner war die Wahl für die Nationalversammlung. Vorher Wählerversammlungen, ging ganz ruhig ab. Wahlergebnis: christlich soziale 285 Stimmen, deutsche 8, sozialdemokraten 8, Seiplpartei 37.

Im Februar wurden beide Milchkammern gesperrt, die infolge fortwährender Viehrequirierung. Die Leute so wenig Kühe haben, so dass sie die Milch selber benötigen, das übrige wird verhamstert, der Liter 2 bis 3 Kr. Selbst Ortsbewohner müssen den Liter um 2 Kr. zahlen. Die Lebensmittelpreise steigen noch immer, so kostet 1 Ei 2 Kr, das Kilo Rindfleisch 30 Kr, wenn überhaupt welches zu bekommen ist. Viele Artikel sind überhaupt um viel Geld nicht zu haben. Es wird viel gestohlen, Kellereinbrüche sind öfters, obwohl 4 Mann Nachtwache halten. Meistens sind es Wiener Hamsterer, die immer noch in größeren Scharen kommen und auch in religiöser Beziehung Schaden anrichten. Die religiöse Gleichgültigkeit, besonders bei den Männern, ist jetzt schon groß. Die Jugend ist roh und ausgelassen. Möge bald endgültiger Frieden kommen.

Am 4. Mai war Wahl für den Landtag. Es wurden 255 christl.soz. und 5 deutschnationale Stimmen abgegeben, ein Teil blieb der Wahl ferne.

Anfangs kam der Erlass heraus, dass die Schulkinder nicht mehr verpflichtet sind, der Schulmesse beizuwohnen. Es kommen noch viele freiwillig, aber von den Lehrern ist keiner zu sehen. Auch an den Bitttagen nahm keiner teil an den Prozessionen.

Der ganze Mai war in diesem Jahr sehr kühl und feucht.

Am 29. Mai hielt die Feuerwehr die Fahnenweihe ab, es waren sehr viele Leute hier, 15 auswärtige Vereine beteiligten sich dabei. Bei Requisitenhaus war heilige Feldmesse und die Weihe. Die ganze Feier verlief in schöner und ruhiger Weise. Musikkapelle war die Niedersulzer hier, da die hiesige all zu hohe Forderungen stellte (2.000 Kr. und ganze Verpflegung). Fahnenpatin fungierte Frau Maria Koller Nr. 82.

Am 25. Mai spendet der hochwürdigste Herr Kardinal Piffl das hl. Sakrament der Firmung. Von hier waren 17 Firmlinge, während die anderen 26 in Wien gingen.

Am 2. Juni 1919 wurden in Saint Germain die Friedensbedingungen den Vertretern von Deutsch-Österreich überreicht. Doch dieser Friedensvertrag ist unannehmbar. Er bedroht Deutsch Österreich mit der völligen Vernichtung.

Am 12. 6. 1919 Visitation Augustin Höbarth Dechant

Am 12. Juni war kanonische Visitation und Religionsprüfung in der Kirche. Obwohl der Lehrkörper dazu eingeladen wurde, ließ sich nur Herr Oberlehrer sehen, die anderen 2 nicht. Ebenso beteiligten sie sich nicht an der Fronleichnamsprozession.

Am 22. Juni war Gemeindewahl. 2 Parteien waren: die katholische Bauernbundpartei und die Heimkehrerpartei, letztere war mehr sozial demokratisch. Die Bauernbundpartei erhielt 8 Mandate, Heimkehrerpartei 4.

Am 12. Juli wurde Herr Johann Frohner, Wirtschaftsbesitzer Nr. 72, zum Bürgermeister gewählt. Johann Bauer zum Vizebürgermeister, Mathias Glück und Bernhard Kissler zu Gemeinderäten.

Der Kornschnitt begann heuer erst Mitte Juli wegen der ungünstigen Witterung im Mai und im Juli. Ernte fiel gut aus, Obst weniger, mehr Äpfel, Wein wird sich noch machen, da der August sehr heiß und trocken ist.

Vom 28. Juli bis 9. August war ich auf Urlaub in Salzburg. Aushilfe leistete hier mit Bewilligung des h. Ordinariates Wien P. Norbert Praxl, Pfarrer von Großinzersdorf.

10. und 11. August wurde nach 5jähriger Unterbrechung in folge des Krieges der Kirtag wieder in seiner herkömmlichen Weise gefeiert. Getanzt wurde genug, Leute waren massenhaft. Preise hoch, 1 l Wein zu 20 Kr. ausgeschenkt.

    Am 15. August war Ortsschulratswahl, gewählt wurden: zum Obmann Johann Iser Zimmermeister, zum Obmann Stellvertreter Johann Schinnerl, als Mitglieder Martin Neudhart und Anton Hollander und der Michael Lieberth. Dazu gehören noch Pfarrer und Oberlehrer. Zum Schulaufseher wurde Lorenz Brandtner bestimmt.

    Am 20. August wechselten die Herren ihre Posten: P. Friedrich kam von Obersulz als Kooperator nach Mülln, P. Ulrich von Mülln nach Obersulz. Im September wurde P. Michael Noggler, Pfarrer in Obersulz, als Pfarrer nach Maxglan berufen, P. Bernhard Fattinger nach Loidesthal. P. Gregor Gschwandtner von hier nach Obersulz.

    Visitation 2.6.1920 Augustin Höbarth Dechant

    Im Juli des Jahres 1919 wurde der damalige Pfarrer der Pfarre Maxglan in der Stadt Salzburg bei der hochwürdigsten Stiftsvorstehung in Michaelbeurn vorstellig mit der Bitte, die große und beschwerliche Seelsorge dort selbst vertauschen zu dürfen mit dem bescheidenen Amte in Loidesthal, welcher Bitte bereit willigst stattgegeben wurde. Am 27. September des genannten Jahres – es war ein Samstag – hielt ich sang- und klanglos meinen Einzug in der neuen Pfarre Loidesthal, während mein Vorgänger Herr P. Gregor Gschwandtner nach Obersulz übersiedelte. Leider muss ich Klage darüber führen, dass ich hierorts gar kein gutes Erbe vorgefunden habe – eine ruinenhafte Kirche mit dementsprechendem Friedhofe, eine religiös sehr gleichgültige Gemeinde, unwissende Kinder – um von der Jugend ganz zu schweigen. Mit einem jeden neuen Tag wurde ich um eine Erfahrung reicher, dabei aber jedes Mal um ein Ideal ärmer.

    Der Kirchenbesuch und ganz besonders das Betragen der Anwesenden würden ganz passend Kapital liefern für einen Roman. Ich will für die genannten Missstände keineswegs den Seelsorger verantwortlich machen, dem gewiss niemand Eifer und guten Willen absprechen kann und der nur den einen Fehler hat, dass er nämlich doch etwas gar zu gut ist. Loidesthal hat je leider seit jeher keinen besonders guten Ruf genossen und ist durch die Stürme des Weltkrieges keineswegs besser geworden. Die Kinder nur halbwegs zur Arbeit in der Schule und zur Ordnung in der Kirche zu verhalten und zu gewöhnen, war die reinste Titanomachie, eine Arbeit, die zwei Jahre beanspruchte und mir – wie sich begreifen lässt, keine Freundschaft eintrug.

    Bezüglich Kirchenbesuch scheint der Priester bedauerlich nur zu tauben Ohren zu predigen, die Männer tun an Sonn- und gebotenen Feiertagen lieber arbeiten – ist ja früher auch so gewesen. Selbstredend imitieren auch die jungen Söhne getreulich ihre mustergültigen Väter. Das eine muss man dem kleinen Orte Loidesthal nachrühmen – Loidesthal ist immer voller Leben: in der Frühe sind es die Hähne, untertags die vielen Gänse, am Abend die Hunde und während der Nacht unsere soliden Burschen, die sich bei ihren Gasthausbesuchen an keine Sperrstunde halten und auch keine Ortspolizei zu scheuen haben. Dass die Väter sich nicht wehren und für die Nachtruhe sorgen und zu diesem Behufe den übermäßigen Gasthausbesuch seitens der Burschen und Bürschchen einschränken, dies muss ich am allermeisten beklagen. Unsere Männer haben eben schon die ganze Führung verloren. Das viele Zechen in den zwei Ortsschänken verleitet unsere Jugend leider sehr häufig zu Diebstählen, um sich mit Hilfe der Wiener Hamsterer Geld zu verschaffen, dann das Tanzen zu jeder gelegenen und ungelegenen Zeit ist bereits mit 120 K pro Mann besteuert und der Wein kostet 90 K pro Liter.

    Anschließend ein anderes nicht weniger dunkles Kapitel über die täglich zunehmende Teuerung. Hier will ich gleich zur Entschuldigung der Landbevölkerung voraus schicken, dass die beispiels hohen Preise für die Lebensmittel nicht unter allen Umständen der Profitgier unserer Leute zugeschrieben werden darf, sondern man muss sagen, der Bauer tut teuer verkaufen, weil er auch ebenso teuer muss einkaufen – ja die Lebensmittel sind relativ noch billig im Vergleich zu den übrigen Bedarfsartikeln. Außerdem tragen die unheimlichen Schieber und Berufshamsterer eine große Schuld, in dem sie alles ums 10fache überbieten, wodurch es den Ortsinsassen einfach unmöglich wird, billig einzukaufen, falls sie überhaupt etwas bekommen. In der Zeit von 1919 bis 1921 sind die Preise tatsächlich um das 400fache gestiegen. So kauft man jetzt das Getreide pro Metercentner um 4500 K, obwohl mit Beginn der letzten Ernte ein Höchstpreis von 1000 K behördlich festgelegt wurde. Die Milch kostet auch für die Ortsbewohner schon 10 bis 12 K pro Liter. Die Eier werden um 15 K pro Stück verkauft – für ein Kilo Rindfleisch zahlt man 140 K, Schweinefleisch 210 K, noch viel teurer natürlich das Geflügel. Diese Preise erklären sich trotzdem, wenn man weiß, dass jetzt Pferde um 200000 K, mittelmäßige Kühe um 70 bis 90000 Kr verkauft werden. Will man sich dermalen anständig kleiden, so benötigt man dazu ein enormes Vermögen: 2000 Kr. für die Schuhe, 15000 Kr. für einen mittelmäßigen Anzug, 900 Kr. für einen windigen Hut usw. Dabei sind diese sündteuren Sachen zeitweilig überhaupt nicht anders zu bekommen, als nur durch die Gnade der Wiener Hamsterer, von denen unsere berüchtigte Landesbahn tagtäglich bis zum Zerdrücken voll ist. Wo auf der Plattform und am Aufstieg noch ein Winkel frei ist, dort drängt sich noch ein Berufshamsterer hinein, selbst auf den Waggondächern hat man schon Rücksack-Passagiere sehen können. Das Reisepublikum unserer Bahn ist derart minderwertig und entsittlicht, dass ein halbwegs anständiger Mensch direkt bahnexistenz unmöglich geworden ist. Zugspersonale und Gendarmerie muss leider vielfach ohnmächtig zusehen und ruhig gewähren. Unsere Landesbahn ist eine Art Republik in der Republik Deutschösterreich geworden – Hilfe tut dringend not.

    Das Erträgnis unserer Ernte im Jahre 1919 war summa befriedigend – auch die Weinernte hat halbwegs entsprochen. Obst war in diesem Jahre in Hülle und Fülle gediehen. Auch ließ sich die Witterung im nachfolgenden Winter ziemlich gut an, so dass auch für das Jahr 1920 eine reichliche Ernte zu erhoffen gewesen wäre. Leider hat ein fürchterlicher Hagelschlag am 13. Juli 1920 die halbe Ernte auf den Feldern und in den Weingärten vernichtet. Dieser verheerende Gewittersturm kam in der Richtung von Hohenruppersdorf über Niedersulz und Loidesthal und richtete auch in Inzersdorf streckenweise noch einigen Schaden an. Was demnach die böse Reblaus in unseren Gärten noch verschont gelassen hatte, das hat fast zur Gänze der Hagel vernichtet. Der 13. Juli bedeutete auch für den Pfarrer einen Unglückstag, denn dieser hat es zum größten Teile verschuldet, dass die Giebigkeiten an den Pfarrhof eine arge Reduktion erfuhren und auch die jährliche Messweinsammlung nicht befriedigte – drei Eimer, im Jahre 1920 1 ½ Eimer recht minderwertige Weines – ein ähnliches Getränk.